01.09. – 15.12.2024 | Dienstag – Sonntag: 10 – 17 Uhr

Der rote Schirm – Liebe und Heirat bei Carl Spitzweg

Kunsthaus Apolda Avantgarde
Bahnhofstraße 42 | 99510 Apolda
Telefon: 03644 51 53 65 | www.kunsthausapolda.de

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 –17 Uhr

Eintrittspreise:
Erwachsene: 9,- €
Ermäßigt: 8,- €
Familienkarte 18,- €
Schulklassen: 2,- € (p. P.)
Begleitveranstaltungen: 11,- €

Führungen
Montag: 9 – 15 Uhr
Dienstag – Sonntag: 17 – 20 Uhr

Schulklassen
nach Voranmeldung:
Montag: 9 – 15 Uhr
Dienstag – Freitag: 8 – 9:30 Uhr

Katalog
Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher wissenschaftlicher Katalog (176 Seiten) zum Preis von 24€.

Kuratorin
Dr. Andrea Fromm

Veranstalter
in Kooperation mit dem Museum Georg Schäfer, Schweinfurt.
Mit freundlicher Unterstützung: Kunstverein Apolda Avantgarde e.V. und Kreisstadt Apolda

Kinder-Audioguide

Klick auf den Schirm um mit Deinem Handy mehr über die Ausstellung und den Künstler Carl Spitzweg zu erfahren. Der freundliche rote Schirm „Karl“ wird dabei dein Begleiter sein.

Viel Spaß!

Über die Ausstellung

Lüsterne Blicke und schmachtendes Hinterherblicken, einsame Begegnungen im Wald, Verführungen in freier Natur, nächtliche Ständchen und Stelldicheins, Carl Spitzweg (1808-1885) stand mitten im Leben und entlarvte mit seinen Anspielungen auf die Liebe und das Eheleben nicht selten die Doppelmoral, die sich hinter der Maske von Bürgerlichkeit und Sittsamkeit verbirgt. Kein Thema beschäftigte Spitzweg so mannigfaltig wie die Liebe, und wenige Werke sind mit dem Namen des wohl berühmtesten deutschen Malers des Biedermeier so eng verbunden wie Der abgefangene Liebesbrief und Der ewige Hochzeiter. Mit seinen subtilen Andeutungen, hintergründigen Symbolen und seinem charakteristischen Bildpersonal avancierte er zum unumstrittenen Meister der Überzeichnung, des Komischen und Grotesken.

Jäger und Sennerinnen, Damen und Herren der gehobenen Schichten, Dienstmädchen mit weißen Schürzen, Apotheker und Mineralogen, bei Spitzweg ist niemand vor Begierde und Verlangen sicher, aber auch nicht vor Verlust, Verzicht und unerfüllter Liebe, wie Der Witwer. Selbst Eremiten, Mönche und Pfarrer verfallen scharenweise der Liebe. Sie alle, die stürmischen Verführer, schüchternen Verehrer und vor Liebe närrisch Gewordenen, die schrulligen Kaktusliebhaber und die einsamen Wissenschaftler, sie alle werden zum Spiegelbild Spitzwegs, der sich nie verheiratete. Nach dem frühen Tod seiner großen Liebe, der Schreinermeisterstochter Clara Lechner, blieb er in “Amouren und Amürchen” verstrickt und erlag bis ins hohe Alter den Versuchungen der Liebe.

Spitzwegs Bildinhalte sind hochkomplex und verborgene Sehnsüchte, und geheime Begierden verstecken sich bei ihm meistens in romantisierenden Bildsymbolen. Neben Liebesbriefen, Blumensträußen oder schnäbelnden Tauben spielt ein roter Regenschirm dabei eine herausragende Rolle. Dieses bislang übersehene, aber überaus wichtige Detail in der Bildwelt Spitzwegs erlaubt einen frischen Blick auf sein Leben und seinen Liebes- und Ehebegriff wie auch auf sein Frauenbild und die Geschlechterrollen im 19. Jahrhundert.

Schon zur Zeit Spitzwegs war der rote Regenschirm Requisit der Hochzeitslader:innen im schwäbischen Raum. Dieser Zeremonien-stab der bäuerlichen Hochzeit begleitet Spitzwegs Bildfiguren zahlreich. Er fehlt nicht bei Spaziergängen, Reisen und Wanderungen und auch nicht beim Arbeiten in der Schreibstube oder im Studierzimmer. Vermutlich stach er Spitzweg 1835 bei den öffentlichen Feierlichkeiten zur Silberhochzeit Ludwig I. auf der Theresienwiese in München ins Auge und fand im gleichen Jahr Eingang in seine Malerei. Auch in der Entwurfszeichnung zu Der arme Poet, seinem wohl bis heute berühmtesten Gemälde, ist er in der Dachschräge platziert. Bis 1880, also von Anfang bis Ende seines Schaffens, blieb der rote Regenschirm fester Bestandteil seiner Bildwelt.

Spitzweg ging es indes nie um die Hochzeitslader:innen als solches. Von Anbeginn isoliert er den roten Schirm aus seinem Kontext und verschleiert mit ihm, was er vor sich selbst am meisten zu verbergen sucht: seine unablässige Liebessehnsucht. Meistens erscheint der rote Schirm wie zufällig hingestellt, lehnt belanglos an Kommoden und Baumstümpfen oder liegt wie vergessen im Gras oder am Boden. Diese Beiläufigkeit verleiht ihm seine große Bedeutung, denn Spitzweg überließ in seinen Kompositionen nichts dem Zufall. Mit Gewitztheit und Komik inszeniert Spitzweg darüber hinaus auch Schirme aus der Modewelt als absurdes Macht- und Herrschaftsinstrument, denn der Schirm entwickelte sich aus Baldachinen und Traghimmeln in religiösen und höfischen Bereichen und gehörte damals zu den Luxusartikeln der gehobenen Schichten.

Auf diese Weise gelang es Spitzweg, der ab 1844 als Karikaturist für die Fliegenden Blätter zu arbeiten begann, das bürgerliche Establishment mit Spott und Sarkasmus aufs Korn zu nehmen und der prüden und restaurativen Epoche des Biedermeier den Spiegel vorzuhalten. Die Schirmsymbolik lässt keinen Zweifel daran, dass Spitzweg weder der kauzige Sonderling noch der brave biedermeierliche Idyllen-Maler war, als der er lange Zeit galt. Als sich der Sohn eines Großkaufmanns 1833 entschloss, seinen Beruf als Apotheker an den Nagel zu hängen und freier Künstler zu werden, unterschied sich seine Art der Selbstreflexion wenig vom heutigen Zeitgenossen. Antworten auf die Frage, wie will ich leben und was macht mich glücklich, fand Spitzweg vor allem in Italien und auf seinen Wanderungen durch die Natur. Hier entdeckte er Leidenschaft, Sinnlichkeit und Natürlichkeit, die dazu führten, dass er der bürgerlichen Oberschicht den Rücken kehrte und die wachsenden zivilisatorischen Prozesse mit Skepsis betrachtete.

Spitzweg war ein wachsamer Beobachter seiner Zeit und nahm die menschlichen Schwächen an sich selbst und seinen Mitmenschen wahr. Als Künstler, Naturwissenschaftler und moderner Städter war er äußerst belesen und reiste viel. Einfluss auf seine Malerei gewannen sowohl die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen des Vormärz als auch Literatur, Malerei und Theater. Inspiriert zeigt sich sein geistreicher Witz dabei vor allem von der italienischen Opera buffa und den Komödien Molières und Carlo Goldonis, der pikanten Symbolsprache der barocken niederländischen Genremalerei und der an Einfluss gewinnenden Karikatur.

In der Ausstellung Der rote Schirm. Liebe und Heirat bei Carl Spitzweg werden knapp 80 Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Grafiken aus den Jahren 1835 bis 1880 gezeigt. Sie ist eine Kooperation mit dem Museum Georg Schäfer, Schweinfurt. Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog, in dem alle ausgestellten Werke abgebildet werden und der das Thema wissenschaftlich beleuchtet.