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25 Jahre Kunstverein Apolda Avantgarde e.V.

Vor 25 Jahren am 22. Februar 1994 wurde in der Tiefgarage des ehemaligen Hotels „Holliday Inn“ in Apolda der Kunstverein Apolda Avantgarde gegründet. Die Gründungsveranstaltung des Vereins war schon etwas ungewöhnlich und für manche Zeitgenossen und Mitbürger auch etwas skurril. Der Ort war bewusst gewählt. Etwa 20 bis 30 Gründungsmitglieder und Sympathisanten fanden sich in der ersten Tiefgarage Thüringens ein, die mit Piktogrammen künstlerisch ausgestaltet war.

Der geschäftsführende Vorstand des Kunstvereins, bestehend aus Klaus-Dieter Böhm, Alexander Weber, Bernd Krükel  und  Hans  Jürgen  Giese,  fuhr als Referenz an die Automobiltradition und an das Stadtwappen Apoldas, herzhaft in einen Apfel beißend, in einem DKW F7-Cabriotlet in die Tiefgarage ein.

Den Gründungsmitgliedern ging es vor allem damals darum, der Kreisstadt Apolda – angesichts der starken Nachbarn Weimar und Jena – mit regionalen und überregional bedeutenden Projekten zwischen Tradition und Avantgarde ein eigenes unverwechselbares Profil zu geben, die Lebensqualität und das Bildungsangebot in der Region zu verbessern und den Städtetourismus langfristig zu entwickeln. Darüber hinaus wollte man beweisen, dass eine Stadt keines Geburts- oder Sterbehauses großer Künstler bedarf, um ausgewählte Zielgruppen kulturell und touristisch erfolgreich überregional anzusprechen.

So mancher in Apolda, aber auch in anderen Thüringer Städten, hat über diese Gründungsveranstaltung und den dort postulierten Anspruch ungläubig gestaunt oder mitleidig gelächelt, weil man bis dahin Kunst und Apolda nicht unbedingt zusammenbringen konnte. Darüber hinaus war es eine Zeit, in der diese Region und die Stadt Apolda durch die erdbebenartigen wirtschaftlichen Umbrüche bis tief ins Mark getroffen wurden. Deshalb gab es natürlich angesichts einer Arbeitslosenrate von über 20% auch kritische Stimmen. Haben wir nichts Besseres zu tun, als in dieser wirtschaftlich angespannten Situation einen Kunstverein zu gründen?

Die Gründung des Kunstvereins war eigentlich nur Teil eines Gesamtprozesses, der sich vor allem in den Jahren 1992 bis 1995 in Apolda abgespielt hat. Viele Prozessteile liefen dabei parallel und waren oft miteinander verbunden. Es war eine einmalige Zeit des Aufbruchs, in der praktisch alles möglich war. Es lag an den handelnden Personen, daraus das Beste zu machen.

Am Anfang aber stand die Dali-Ausstellung. Im Herbst 1992 bat mich der Landrat des ehemaligen Kreises Apolda, Herr Hans-Helmut  Münchberg, eine spektakuläre Kunstausstellung nach Apolda zu holen, um Auswärtige und die Medien auf diese Region aufmerksam zu machen. Darauf  organisierte  der leider viel zu früh verstorbene Kreisdenkmalpfleger Alexander Weber mit  Herrn Maurice Thys, der sich damals mit seiner Firma Societe IRIS für den deutsch-französischen Kulturaustausch engagierte, auf abenteuerlicher Art und Weise Grafiken aus dem Dali-Museum Paris und Skulpturen aus der Schweiz für eine große Dali-Ausstellung. Die Ausstellung im Apoldaer Schloss vom 26.05. bis 21.07.1993 mit 114 Grafiken sowie Skulpturen des großen spanischen Künstlers war mit 14.500 Besuchern eine Sensation für Thüringen. Die Ausstellung zeigte damals schon, was Kunstausstellungen vermögen. Sie können Leute in eine Region lenken. Sie können Leute auf eine Region aufmerksam machen und sie können Leute auch bewegen, diese Region wieder zu besuchen.

In dieser Zeit lernte ich persönlich Herrn Klaus-Dieter Böhm und Frau Marion Schneider kennen, die in Bad Sulza das Wismut-Sanatorium erworben hatten, um es zur Kurklinik umzubauen. Ebenfalls gab es zu dieser Zeit erste Kontakte zu Herrn Bernd Krükel aus Köln, der im Begriff war, in Apolda den Brauhof umzugestalten und ein Hotel zu bauen. Beide Investoren waren davon überzeugt, dass man nur in einer Stadt bzw. Region mit reicher Kultur- und Kunstszene investieren kann und besaßen klare Vorstellungen über die Entwicklung und Vermarktung von Projekten. Aus dieser Überzeugung heraus wurden sie zu wichtigen Geburtshelfern und Partnern bei der Gründung und weiteren Entwicklung des Kunstvereins.

Die erste Geschäftsstelle des Kunstvereins befand sich übrigens im zentral gelegenen „Brauhof“. Von hier aus konnten die Initiatoren ihr ehrgeiziges Anliegen Schritt für Schritt umsetzen. Aber all diese Entwicklungen wären überhaupt undenkbar ohne zwei wichtige Personen, die nicht nur zu den Gründungsmitgliedern des Kunstvereins gehören, sondern die von Anfang an mit strategischer Weitsicht diesen Verein begleitet und gefördert haben. Das sind unsere ehemalige Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht und unser ehemaliger Landrat Hans-Helmut Münchberg.

Nach der 2. erfolgreichen Ausstellung „Von Picasso bis Man Ray Meisterwerke der Ecole de Paris„ in der ehemaligen Stadtbibliothek in Zusammenarbeit mit französischen Partnern und 12.500 Besuchern im Jahre 1994 wuchs die Erkenntnis, dass für die Kunst ein fester Standort gebraucht wird, weil ständig wechselnde Ausstellungsorte auch eines großen finanziellen Aufwands bedürfen. Es war wiederum die strategische Weitsicht unseres Landrates, die ehemalige Landrats-Villa nach dem Umzug der Kreisverwaltung als Kunsthaus zur Verfügung zu stellen. Nach langen Verhandlungen mit den politischen Kräften des Kreistages – ich weiß, dass dieses nicht einfach war und so mancher Skeptiker mühevoll überzeugt werden musste – wurde mit einem symbolischen Zuschuss von 100.000 DM der Startschuss für den Umbau des Kunsthauses eingeleitet. Es ist das bleibende Verdienst des 2. Vorsitzenden Alexander Weber, der als gleichzeitiger Kreisdenkmalpfleger diese eigentlich unmögliche Aufgabe in nur knapp einem Jahr vollzog.

Gelder von Sponsoren, der Einsatz von ABM-Kräften der Arbeitsloseninitiative, die Einbeziehung von Auszubildenden des Apoldaer Bildungswerkes, unentgeltliche Leistungen vieler einheimischer Handwerksbetriebe ermöglichten es, die ehemalige Landratsvilla zu einem Kunsthaus umzubauen und ca. 1,2 Mio. DM an Wertschöpfung zu schaffen. Die frühere Fassung der Türen mit vielfältiger Schablonenmalerei wurde wieder sichtbar, nachdem die im Verlauf der Jahrhunderte aufgetragenen Lackschichten mühevoll restauratorisch entfernt worden waren. Auch die Treppe und die Parkettböden in den Zimmern wurden nach Entfernung mehrerer Fremdschichten in ihren ursprünglichen Zustand versetzt. Besondere Aufmerksamkeit fand in der Öffentlichkeit die Freilegung des zugeschütteten Aufgangs von der Bahnhofstraße, der wieder als Haupteingang des Kunsthauses instandgesetzt wurde.

Am 12.6.1995 stellte der Kunstverein nach Abschluss der Arbeiten das Kunsthaus Apolda Avantgarde der Öffentlichkeit vor, welches im Rahmen eines Mietvertrages mit dem Kreis Weimarer Land als Eigentümer, an den Kunstverein zur Nutzung überging. Die Eröffnung des Kunsthauses am 18.06.1995 mit der Ausstellung „Max Liebermann und Lovis Corinth“ war für die Kreisstadt Apolda ein gesellschaftliches Ereignis und der Beginn einer Erfolgsstory, die bis heute tausende Besucher jährlich in die Kreisstadt führt.

Da das Haus keine Sammlungsbestände besitzt, hat man sich von vornherein auf die Zusammenarbeit mit externen Kuratoren konzentriert. Kuratoren wie u. a. Herr Osper,  Herr Dr. Faass, Frau Dr. Fromm, Herr Dr. Mück, Frau Dr. Löffler, Herr Flügge, Herr Kunz, Herr Beege, Frau Brockmann, Frau Reuter und Frau Steinacker haben uns in den vergangenen 24 Jahren Ikonen der Kunstgeschichte beschert, die mit Ausnahme von Lyonel Feininger und Franz Roh nichts mit der Region zu tun hatten.

Große Jahresausstellungen des Landkreises und der Kreisstadt wie u. a. „Toulouse Lautrec“, „Alberto Giacometti“, „Feininger im Weimarer Land“, „Hermann Hesse“ ,“Camille Claudel“ und „ Henri Matisse“, Projekte des Kunstvereins wie u.a. „Francisco de Goya“, „Reisen mit William Turner“, “Pablo Picasso“, „Helmut Newton“ und „Andy Warhol“, regionalbezogene Projekte des Landkreises zu Thüringer Künstlern wie u. a. „Otto Paetz“, „Otto Knöpfer“ und „Alfred Ahner“ sowie spektakuläre Projekte im Rahmen des Designpreises wie u. a. „Wolfgang Joop“ und „Karl Lagerfeld“ haben dazu beigetragen, dass seit 1995 über 535.000 Besucher den Weg in die Thüringische Kreisstadt Apolda gefunden haben. Neben den Besuchern haben natürlich Fernsehbeiträge im MDR und der Tagesschau, überregionale Artikel wie u.a. im Focus, der Süddeutschen Zeitung und der FAZ sowie in den Thüringer Medien ein nicht zu unterschätzendes Marketing für die Region geleistet.

Da die Vereinsstruktur in Apolda noch nicht so weit entwickelt war, wurde der Kunstverein besonders in den Jahren 1992 bis 1995 zu einer Art Schmelztiegel für viele Ideen und Projekte, die in den späteren Jahren teilweise auch von anderen Vereinen fortgeführt wurden.

Dazu zählten u. a.

  • die Verantwortung als Mitveranstalter bei den ersten beiden Apoldaer Oldtimer-Schlosstreffen in den Jahren 1994/1995,
  • die Durchführung einer Sonderausstellung über die in Apolda geborene Reformpädagogin Dr. Elisabeth Blochmann,
  • die Durchführung einer Sonderausstellung zur Geschichte des Dobermanns im Jahr 1994,
  • Knüpfen wichtiger Kontakte über die Apoldaer Glockentradition nach Köln. Dadurch konnten Verbindungen zur Galerie Osper entwickelt werden, die vor allem in den Jahren 1993 bis 1998 unterschiedlichste Ausstellungsprojekte in Apolda ermöglichten,
  • die Übernahme der Verantwortung als Mitveranstalter des Feininger Schüler-Pleinairs in Mellingen ab dem Jahre 1995 als eines der wichtigsten Kinder- und Jugendkunstprojekte in Thüringen,
  • die Prägung des Begriffes „Toskana des Ostens“ durch den damaligen Präsidenten des Kunstvereins Herrn Klaus-Dieter Böhm,
  • die gebührende Anerkennung des in Apolda geborenen, international bekannten Kunstkritikers Franz Roh durch die von Herrn Dr. Hans-Dieter Mück kuratierte Ausstellung „Magie der Realität – Magie der Form“ sowie des Anbringens einer Ehrentafel am Geburtshaus.
Der Vorstand des Kunstvereins Apolda Avantgarde e.V.

 

Für den Vorstand des Kunstvereins war es von Anfang an ein wichtiges Anliegen, sich über das Kunsthaus hinaus durch verschiedenste Projekte für die Entwicklung der Region einzusetzen und die Bindung zu den Einwohnern Apoldas bzw. den Vereinsmitgliedern zu vertiefen. Dazu gehörten u. a.

  • Buchlesungen bzw. Sonntagsmatineen der KVHS, Filmvorführungen, Kunstauktionen sowie die Durchführung eines Malzirkels für Kinder,
  • die Herausgabe spezieller Jahresgaben an die Mitglieder,
  • die Herausgabe einer Broschüre „Jugendstil in Apolda“, der Bau des Feingerturms in Mellingen sowie die Projekte der Fassadengestaltung in Partnerschaft mit der WGA,
  • spezielle Angebote für Senioren und Schulen und die Kinderprojekte mit der Partnerschule „Am Schötener Grund“ durch das Frauenteam des Kunstvereins unter Leitung der Vorsitzenden, Elke Heinemann,
  • die Konzeption und Durchführung des Apoldaer Weltglockengeläuts sowie der alternativen Goethe-Geburtstagsfeier in der Kopie des Goethe-Gartenhauses in Bad Sulza durch unser Vorstandsmitglied Micky Reemann,
  • die Durchführung der jährlichen Kunstreise und der „Kunstpause“.

Vieles von diesen Projekten hat sich bewährt, manches wurde den Entwicklungen angepasst und wird heute teilweise von anderen Gruppen und Vereinen in der Stadt realisiert. Mit den Baumaßnahmen in den Jahren 1994 und 1995 konnten sicherlich nur wesentliche Umbauarbeiten im Kunsthaus durchgeführt werden. Die wachsenden Besucherzahlen und die hochwertigen Leihgaben aus staatlichen Museen und von privaten Leihgebern erforderten natürlich auch in den Folgejahren weitere Sanierungsarbeiten und Investitionen in das Kunsthaus. Dabei wurden zwischen 1995 und 1999 ca. 150.000,00 DM sowie von 2007 bis 2018 nochmals ca. 210.000,00 € für die Schaffung weiterer Ausstellungsräume, die Erweiterung bzw. Kompletterneuerung der Beleuchtungsanlage, die Erneuerung der Fenster, der Heizung, der Elektrik, der Klima- und Sicherheitstechnik, der Schaffung eines Buchshops sowie der Sanierung der Außenfassade investiert. Die Erfolgsgeschichte des Kunstvereins ist ein Musterbeispiel für das bürgerliche Engagement in einer Region, für die Vernetzung von Kultur, Tourismus und Wirtschaft und für die Kraft einer Vision. Entscheidende Grundlage für den bisherigen und auch für den zukünftigen Erfolg ist das funktionierende Netzwerk fernab jeglicher Egoismen zwischen Landkreis, Kreisstadt und Kunstverein.

Die Geschichte des Kunstvereins wäre ohne finanzielle Partner nicht möglich. Als im Jahre 1993 das von vielen belächelte Kunstprojekt Apolda mit der Dali-Ausstellung begann, waren es die ehemalige Kreissparkasse Apolda, der Freistaat Thüringen und die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, die sich von Anfang an diesem Projekt finanziell beteiligt haben. Im Laufe der Jahre gelang es, weitere wichtige Partner zu einer langfristig orientierten finanziellen Unterstützung von Ausstellungs- und Kinderprojekten zu gewinnen. Dazu zählen u. a. die Sparkassen-Stiftung Weimar-Weimarer Land, art regio Sparkassen-Versicherung, die Ernst von Siemens Kunststiftung, die Energieversorgung Apolda GmbH, die VR Bank Weimar eG sowie die WGA Apolda. Darüber hinaus haben auch viele Privatpersonen und -unternehmen mit Spenden in unterschiedlichster Höhe die Realisierung von Ausstellungsprojekten ermöglicht. Bei dieser Erfolgsgeschichte war es nur folgerichtig, dass dem Kunstverein am 11. Dezember 2001 durch die damalige Ministerin für Kultur und Kunst, Frau Dagmar Schipanski, der Thüringer Kulturpreis verliehen wurde.

Heute steht der 127 Mitglieder umfassende Kunstverein vor allem für vier Kernbereiche:

  1. Die Betreibung des Kunsthauses und die Organisation von jährlich 2 eigenen Ausstellungsprojekten mit entsprechenden Begleitveranstaltungen und ausgewählten Angeboten für Kinder und Jugendliche sowie die logistische und personelle Unterstützung des Landkreises und der Stadt bei deren Ausstellungsprojekten.
  2. Die Organisation von Kinderprojekten in Partnerschaft mit der Grundschule „Am Schötener Grund“ sowie die Mitwirkung beim Feininger Schüler-Pleinair in Mellingen. Diese Kinderprojekte haben sich dank unserer 1. Vorsitzenden zu einem der wichtigsten Aufgabenbereiche des Kunstvereins entwickelt.
  3. Die Organisation von überregional bedeutenden Veranstaltungen, die in der Tradition der Stadt stehen bzw. zur Verschönerung der Stadt beitragen. Dazu zählen u. a. das Apoldaer Weltglockengeläut, die Projekte der Fassadengestaltung in Partnerschaft mit der WGA und der im Rahmen der LGS 2017 neu gestaltete Kreisel in der Jenaer Straße.
  4. Die Projekte, die zur Förderung des Vereinslebens einen wesentlichen Beitrag leisten. Dazu zählen u. a. die Goethe-Geburtstagsfeier in Bad Sulza, die Kunstpause und die jährliche Kunstreise.

Diese vier Kernaufgaben bedürfen natürlich des Engagements des Vorstandes und vieler Vereinsmitglieder sowie der finanziellen Unterstützung von Partnern und Sponsoren.

Der Kunstverein Apolda Avantgarde hat in den 25 Jahren seines Bestehens einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, das die Stadt Apolda und der Kreis Weimarer Land kulturell und touristisch eine positive Entwicklung genommen haben.

Wir sind bereit, unseren Beitrag auch zukünftig dazu zu leisten.

Hans Jürgen Giese
Geschäftsführer